Interview mit Betroffenen

Im Rahmen der Projektwoche hatten wir die Möglichkeit, mit vier von Morbus Bechterew betroffenen Personen zu sprechen. Die Begegnung war sehr spannend und aufschlussreich. Die wichtigsten Aussagen haben wir im folgenden Text zusammengefasst. Da die Personen anonym bleiben wollen, nennen wir sie im folgenden Interview Person A, B, C und D.

 

Symbolbild
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Studierende: Wie lange sind Sie schon von der Krankheit betroffen?

 

Antworten der Betroffenen: Person A ist seit 11 Jahren von Morbus Bechterew betroffen. Person B hatte die ersten Anzeichen der Krankheit bereits 10 Jahre vor der Diagnose. Seit der Diagnose sind nun 14 Jahre vergangen. Person C ist vor 38 Jahren erkrankt. Sie hatte das Glück, dass sie einen guten Doktor hatte, der die Krankheit schnell diagnostizieren konnte. Person D ist seit etwa 25 Jahren von der Krankheit betroffen.

 

Studierende: Wie merkten Sie, dass Sie an Morbus Bechterew erkrankt sind?

 

Antworten der Betroffenen: Der Vater von Person A hatte diese Krankheit bereits und so wusste sie, dass die Möglichkeit bestand, dass sie auch von dieser Krankheit betroffen sein könnte. Sie ging zum Arzt, um sich auf Morbus Bechterew testen zu lassen. Wie sich herausstellte, war bei ihr das genetische Merkmal HLA-B27 nachweisbar. Das hiess jedoch nicht, dass die Krankheit bei ihr auch ausbrechen würde. Später hatte sie aber erste Rückenbeschwerden und bei ihr wurde ebenfalls Morbus Bechterew diagnostiziert. Person B litt oft unter Augenentzündungen und ging zum Augenarzt. Als sie jedoch ihre dritte Entzündung in einem Jahr hatte, schickte der Arzt sie zu einem Rheumatologen. Der Augenarzt entschuldigte sich bei Person B, dass er die Krankheit nicht bemerkte. Er ging davon aus, dass eigentlich nur Männer an Morbus Bechterew erkranken würden. Bei Person C war es so, dass sie eine Bewegung machte und eine sofortige Blockade auftrat. Sie ging zum Hausarzt, der ihr eine Spritze gab. Danach schickte er sie sofort nach Luzern zu einem Spezialisten, der dann die Diagnose erstellte. Person D hatte schon sehr lange Rückenschmerzen und ging deshalb zum Arzt. Auch bei ihr konnte die Krankheit diagnostiziert werden.

 

Studierende: Was machten Sie danach?

 

Antworten der Betroffenen: Person A nahm Medikamente. Bei einem Schub kann man, wenn man will, mehr Medikamente nehmen, um dem Schmerz entgegenzuwirken. Sie geht seit der Diagnose regelmässig in die Kontrolle, um zu schauen, wie sich die Krankheit entwickelt. Person B war erleichtert, als sie endlich wusste, was sie hatte. Im Internet informierte sie sich über Morbus Bechterew. Sie fragte auch, ob jemand aus ihrer Familie diese Krankheit bereits hatte. Wahrscheinlich gab es noch niemanden in ihrer Familie, der unter Morbus Bechterew litt, sie konnte das jedoch nicht genau feststellen. Der Schmerzschub, der sie zum Arztbesuch zwang, war nach der Diagnose wieder vorbei, weshalb sie bis zum nächsten Schmerzschub nichts unternahm. Beim nächsten Schmerzschub ging sie wieder zum Arzt. Person C machte eine intensive Schmerztherapie mit starken Medikamenten. Diese wurden langsam reduziert, bis sie nur noch ein Medikament nehmen musste. Person D war ebenfalls erleichtert. Auch sie informierte sich zuerst über die Krankheit. Sie akzeptierte, dass sie unter dieser Krankheit litt.  Sie nahm Medikamente und war froh, dass sie trotz der Krankheit noch Sport treiben konnte. Mit der Zeit hat sie sich daran gewöhnt und kann heute gut mit der Krankheit umgehen.

 

Studierende: Hörten Sie bei Ihrer Diagnose zum ersten Mal von dieser Krankheit? Wenn Nein, wo haben Sie zum ersten Mal von Morbus Bechterew gehört?

 

Antworten der Betroffenen: Person A wusste bereits davon, da ihr Vater schon unter Morbus Bechterew litt. Person B hatte vor der Diagnose noch nie von dieser Krankheit gehört. Erst als der Rheumatologe sagte, dass es Morbus Bechterew sein könnte, informierte sie sich darüber. Person C wusste nichts über die Krankheit. Ihr Arzt hat sie dann informiert. Auch Bekannte und die Familie, denen sie davon erzählte, kannten diese Krankheit nicht. Bei Person D stellte sich heraus, dass es bereits Fälle in der Familie gab, von denen sie aber nichts wusste.

 

Studierende: Hatten Sie Angst vor Ihrer Zukunft? Waren Sie geschockt?

 

Antworten der Betroffenen: Alle sagen, dass sie zu Beginn sehr geschockt waren. Sie waren jedoch auch froh, dass sie jetzt genau wussten, worunter sie litten, und sie nun beginnen konnten, etwas dagegen zu unternehmen. Person B hatte zuvor vor allem Angst, da sie nicht wusste, was der Grund für ihre Augenentzündungen war.

 

Studierende: Wie verändert die Krankheit Ihren Alltag?

 

Antworten der Betroffenen: Person A fühlt sich bei gewissen Sachen stark eingeschränkt. Sie ist vor allem im Halsbereich viel unbeweglicher. Sie kann ihren Kopf schlecht zur Seite drehen. So ist sie zum Beispiel beim Autofahren eingeschränkt. Da sie jedoch schon länger von dieser Krankheit betroffen ist, weiss sie, wie sie damit umgehen kann. Person B spürt grössere Einschränkungen lediglich während der Arbeit. In ihrem Beruf muss Person B viel lesen, sitzen und schreiben. Dadurch hat sie nach einem langen Arbeitstag oft Schmerzen wegen des langen Sitzens und der dadurch gekrümmten Haltung. Sie probiert, möglichst viel stehend zu arbeiten (z. B. an einem Stehpult), was jedoch nicht immer einfach ist. Als sie unter Augenentzündungen (Uveitis), ein weit verbreitetes Symptom von Morbus Bechterew, litt, war ihr Alltag stark beeinträchtigt. Sie konnte viele Texte nicht lesen, da sie ihre Augen nicht belasten durfte. Person C ist in der Zwischenzeit pensioniert. Als sie jedoch noch arbeitstätig war, hatte die Krankheit einen grossen Einfluss auf ihren Berufsalltag. Sie arbeitete in einer Garage, bei der sie handwerkliche Arbeiten ausübte. Dadurch hatte sie aufgrund ihrer Krankheit oft starke Schmerzen. Doch seit ihrer Pensionierung beeinflusst Morbus Bechterew ihren Alltag selten. Person D treibt vorsichtig Sport. Sie ist jedoch überzeugt, dass Sport im richtigen Mass äusserst wichtig ist.

 

Studierende: Wie mussten Sie aufgrund der Krankheit ihr Leben umstellen (Familie, Freunde, Arbeit)?

 

Antworten der Betroffenen: Person A gibt an, dass sie ihr Leben eigentlich nicht umgestellt habe. Die Personen B und C begannen, nach der Diagnose besser auf ihren Körper zu hören. Person C verzichtet auf das Skifahren, denn durch die Einnahme der vielen Medikamente wurden ihre Knochen geschwächt. Person D schulte sich um. Zuvor übte sie einen handwerklichen Beruf aus, nun arbeitet sie in einem Büro. Alle Personen begannen, mehr auf eine gesunde Ernährung zu achten und bewusst gesünder zu leben.

 

Studierende: Wurden Sie nach der Diagnose von Freunden oder der Familie anders behandelt?

 

Antworten der Betroffenen: Als Person C ihrem engsten Familienkreis von der Diagnose erzählte, wusste niemand, was Morbus Bechterew überhaupt ist. Morbus Bechterew war damals noch gar nicht so bekannt, weil Informationsquellen fehlten. Auch heute noch wissen viele Leute nicht, was es mit der Krankheit überhaupt auf sich hat. Person D erzählt, dass ihre Verwandten erstaunt, aber auch erleichtert reagierten, da man nun wusste, worunter die Person litt. Das weitere Umfeld von Person D weiss nichts von ihrer Krankheit. Alle haben nur ihrem engsten Familien- und Freundeskreis von der Diagnose erzählt. Sie wollen nicht jedem unter die Nase reiben, dass sie eine Krankheit haben.

 

Studierende: Wann / Wie oft haben sie Schmerzschübe?

 

Antworten der Betroffenen: Wenn Person A einen Schub bekommt, macht sich dieser zuerst durch Schmerzen in ihrer Schulter bemerkbar. Während einem Schmerzschub ist Person B sehr versteift, darum findet sie, dass eine gute Matratze und ein gutes Kissen wichtig sind. Person C leidet unter Morgensteifheit. Früher hatte sie teilweise gar nicht geschlafen, da das Bett unbequem, beziehungsweise die Matratze falsch war. Bei Person D kommen die Schmerzschübe sehr unregelmässig.

 

Studierende: Was machen Sie gegen Schmerzschübe?

 

Antworten der Betroffenen: Person A erhöht die Medikamentendosis. Das begründet sie damit, dass sie dann nicht leiden muss. Person B ist eher kritisch gegenüber Medikamenten. Sie versucht, ohne Medikamente, zum Beispiel mit Übungen, gegen die Schmerzen anzukommen. Meist hilft es ihr bereits, wenn sie sich beruhigt und sich nicht in den Schmerz hineinsteigert. Dies funktioniert aber nicht immer. Person D bereiten die Muskelverspannungen grössere Schmerzen, als die Krankheit selbst.

 

Studierende: Achten Sie speziell auf ihre Ernährung?

 

Antworten der Betroffenen: Für Person A ist eine gute Balance in der Ernährung sehr wichtig. Allgemein achten alle auf eine gesunde Ernährung mit viel Gemüse, Salat und Fisch. Zum Teil verzichten Sie auf Schweinefleisch und Weisswein, da sie merkten, dass es ihnen nach dem Verzehr dieser Nahrungsmittel eher schlecht ging.

 

Studierende: Konsumieren Sie Alkohol / rauchen Sie?

 

Antworten der Betroffenen: Person A hat sowieso aufgehört zu Rauchen als sie schwanger wurde. Person B hat nie geraucht und konsumiert eher wenig Alkohol. Personen C und D rauchen und trinken nicht.

 

Studierende: Welche Bedeutung hat Sport in ihrem Alltag?

 

Antworten der Betroffenen: Alle treiben Sport und versuchen, viel in Bewegung zu bleiben.

 

Studierende: Fühlen Sie sich nach Gymnastikübungen besser?

 

Antworten der Betroffenen: Allgemein fühlen sich alle Betroffenen nach der Absolvierung der Übungen besser und sind froh, wenn sie sich bewegen können. Eine Person machte jedoch auch schon die Erfahrung, dass ihr eine Übung gar nicht entsprochen hat und bei ihr die Schmerzen danach schlimmer wurden. Daher ist es wichtig, immer auf seinen Körper zu hören.

 

Studierende: Welche Übungen machen Sie?

 

Antworten der Betroffenen: Sie machen vor allem Dehn- und Lockerungsübungen. So können sie der verkrümmten Haltung entgegenwirken. Einigen Personen helfen auch die Igelbälle oder grosse Medizinbälle, um die Verspannungen zu lösen.

 

Studierende: Was raten Sie anderen Betroffenen?

 

Antworten der Betroffenen: Alle sind davon überzeugt, dass es wichtig ist, eine Gruppentherapie zu besuchen und sich viel zu bewegen. So kann man sich auch mit anderen Betroffenen austauschen. Ebenfalls soll man sich nicht in die Krankheit hineinsteigern. Man soll darauf Rücksicht nehmen, sich davon jedoch nicht zu fest einschränken lassen. Ausserdem empfehlen sie Personen, bei denen die Krankheit bereits in jüngeren Jahren auftritt, trotzdem in eine Gruppentherapie zu gehen und sich nicht dafür zu schämen.

 

Interview durchgeführt am 26.09.2017 an der Kantonsschule Obwalden in Sarnen.